Erfüllungsort für die Nacherfüllung – Wie funktionert es?
Wird zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ein Kaufvertrag geschlossen, gibt es regelmäßig Besonderheiten zu beachten, die u.a. auf die „Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie“ der Europäischen Union zurückzuführen sind. Zu diesen Besonderheiten gehört auch die Frage, wo die Nacherfüllung zu erfolgen hat, wenn der Käufer, der zugleich Verbraucher ist, am verkauften Gegenstand einen Mangel behauptet.
Der BGH hat diese Frage in seinem Urteil vom 13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10, wie folgt beantwortet:
„1. Der Erfüllungsort der Nacherfüllung hat im Kaufrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches keine eigenständige Regelung erfahren. Für seine Bestimmung gilt daher die allgemeine Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB.
2. Danach sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 Abs. 2 BGB) hatte.“
Dieses Urteil sollte allerdings nicht dazu verleiten, fortan den Ort der Nacherfüllung in Anlehnung an § 269 Abs. 2 BGB im Zweifelsfall regelmäßig am Sitz des Verkäufers zu vermuten. Gemäß Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG (“Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie”) hat die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen.
Die Auffassung des BGH hätte jedoch zur Folge, dass der Verbraucher im Zweifel den Gegenstand zum Unternehmer bringen müsste, damit dieser ihn bei sich vor Ort auf die vom Verbraucher behaupteten Mängel hin untersuchen und diese gegebenenfalls beseitigen kann. Hat der Verbraucher aber z.B. einen aufbaubaren Schrank gekauft, diesen bei sich zu Hause aufgebaut und erst dabei festgestellt, dass ein Teilstück fehlt bzw. falsch eingepackt worden war, müsste er den Schrank konsequenterweise wieder auseinanderbauen und dem Unternehmer an dessen Sitz zur Verfügung stellen, damit dieser ihn auf die behaupteten Mängel hin untersuchen kann. Damit geht allerdings nicht nur die Gefahr einher, dass der Schrank beim Rücktransport beschädigt werden könnte. Der Verbraucher, der im Zweifel mehrere Stunden aufgewandt hat, um den Schrank zusammen zu bauen, müsste nunmehr eine vergleichbare Zeit aufwenden um ihn wieder auseinander zu bauen.
Es bestehen daher diesseits erhebliche Zweifel, ob man in dem Fall noch davon sprechen kann, dass die Nacherfüllung gemäß Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher stattfindet. Der Verkäufer ist zwar gem. § 493 Abs. 2 BGB verpflichtet, den Käufer von den Kosten der Nacherfüllung (z.B. Transportkosten) freizustellen. Die mit der Rückführung verbundenen Unannehmlichkeiten und Risiken können diese allerdings nicht aufwiegen.
Anders könnte es sich wiederum darstellen, wenn es sich beim gekauften Gegenstand z.B. um einen Kfz handelt, das in der Werkstatt des Verkäufers auf die behaupteten Mängel hin untersucht werden müsste (vgl. hierzu die Ausführungen des BGH im Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 96/12).
Der Erfüllungsort für die Nacherfüllung ist demnach stets im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, jedoch mit Bedacht darauf, dass nationales Recht unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der europäischen Richtlinie ausgelegt werden muss (vgl. EuGH, Urteil vom 13.11.1990, Az. C-106/89). Inwieweit die Regelung in § 269 BGB unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks des Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG ausgelegt werden kann, wird im Zweifel vom EuGH zu entscheiden sein.
Rechtsanwalt Volkan Alp und Rechtsanwalt Frank Wiesbrock